Unsere Erfahrungen mit der Kampagne „Südvorstadt für alle“ zeigen, dass kommunale Wohnungswirtschaft hinsichtlich Transparenz, Partizipation, Innovationsfreude und Suffizienzansätzen noch großen Nachholbedarf hat. Denn: Es liegt NICHT NUR daran, dass kommunale Wohnungsunternehmen zu schlecht ausgestattet und neue Förderstrukturen notwendig sind. Sondern auch Offenheit für neue, sozial und ökologisch nachhaltige Ansätze sowie mehr Mitspracherechte von Mieter*innen müssen dazu gehören, um der bestehenden Wohnungsmisere entgegenzuwirken.Im nd-Artikel vom 09.10.2024 wird der durchaus komplexe – und wie wir finden und lehrreiche Prozess der letzten mindestens drei Jahre versucht, zusammenzufassen. Der Bericht fokussiert dabei auf die Perspektive der Mieter*innen und der Vernetzung Süd-Initiative.
Das nd berichtete Anfang Oktober 2024 ausführlich über die letzten drei Jahre „Südvorstadt für alle“. Bei „Südvorstadt für alle“ ging es um ein von Mieter*innen und Nachbarschaft vorgeschlagenes Modellprojekt für eine sozial, ökologisch und denkmalpflegerisch nachhaltige Sanierung von 105 Wohnungen in einem Viertel mit hohem Verdrängungsdruck.
Es geht also um kommunale Wohnungen. Und es gab im Oktober 2023 einen Ratsbeschluss, der bis heute nicht umgesetzt wurde. Nun scheint es, dass das stadteigene Wohnungsunternehmen daran vorbei Tatsachen schafft und mit der Sanierung einfach beginnt. So wie sie geplant ist, wird sie die Verdrängung im Viertel weiter anheizen: Nämlich mit prognostizierten Neuvermietungspreisen von 16 €/qm kalt oder mehr, nach der Sanierung!
Das kann NICHT der kommunale Wohnungsbau sein, den wir wollen!
Der Prozess der letzten drei Jahre förderte zahlreiche Erkenntnisse zu Tage, wo die Wohnungsmisere selbst bei kommunalen Gesellschaften liegt. Es liegt nicht nur an ihnen selbst, das ist klar. Doch wenn sich kommunale Wohnungsunternehmen dann gar nicht mehr anhören und erforschen lassen wollen, wie vielleicht doch anders und preiswerter saniert (und vermarktet) werden könnte, dann mutet das einer Verhinderung für Lösungsansätze aus der Wohnungsmisere an!
Einblicke zum Hintergrund der letzten drei Jahre bietet der nd-Bericht, den wir hier empfehlen wollen: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185791.vernetzung-sued-leipzig-sanieren-aber-mal-anders.html
Wir werden schauen, wie und was als nächstes noch zu machen ist, um wenigstens die horrenden Neuvermietungspreise von 16 €/qm oder mehr zu verhindern. Wir hoffen, dass diesmal Stadtrat und OBM sowie LWB eine bessere Figur dabei machen werden!
Wir haben aber auch selbst versucht das mittlerweile seit sieben Jahren andauernde Ringen, um mehr Transparenz und Partizipation bei diesem und weiteren Sanierungsprojekten der LWB im Süden Leipzig mithilfe einer Chonik der stattgefundenen Ratsanfragen, Einwohneranfragen, Stadtbezirksbeiratssitzungen sowie Aktionen und Veranstaltungen unserer Initiative nachvollziehbar und überprüfbar zu halten.
In Leipzig entstehen nicht nur teure Apartmenthäuser für Studierende, auch in Mehrfamilienhäusern werden Mikroapartments eingerichtet. Nicht alle Mietenden sind damit einverstanden. Ein aktuelles Beispiel aus der Stockartstraße zeigt Möglichkeiten und Grenzen des Widerstands.
Nein, nicht 24 Euro pro Quadratmeter musst du zahlen, wie jemand mit Humor vielleicht schlussfolgern könnte, sondern stolze 34 Euro. Der folgende Artikel von Marco Brás Dos Santos verdeutlicht das sehr lukrative Geschäft mit Mikroapartments.
485 Euro warm für 14 Quadratmeter, sprich 34 Euro pro Quadratmeter – so weist es eine Anzeige auf dem Internetportal WG Gesucht für ein Zimmer in einer 6er WG in der Connewitzer Stockartstraße aus. Dieser Betrag mag für einen Durchschnittsverdiener in Leipzig astronomisch erscheinen, wird jedoch zunehmend für Studierenden-Wohngemeinschaften in der Stadt zur Realität. Nicht nur sprießen sogenannte »Microapartment-Häuser« mit möblierten Zimmern aus dem Boden – zuletzt wurde eins in der Bornaischen Straße 20/22 über dem Netto in Connewitz eröffnet –, sondern auch in Mehrfamilien-Mietshäusern werden Wohnungen vermehrt zu WG-Zimmern umgebaut, wie in der Stockartstraße 24 in Leipzig-Connewitz, der bürgerlichen Seite der bekannten Straße, für die die Anzeige auf dem WG-Internetportal wirbt.
Eine Mieterin namens Samira* berichtet dem kreuzer: »Die 6er-WG in unserem Haus hat Mietverträge über Gesamtwohnraumgrößen von circa 7 bis 15 Quadratmeter mit Warmmietpreisen von etwa 380 bis 490 Euro. In diese Wohnung wurden nicht nur Wände eingefügt, um aus drei Räumen fünf zu machen, sondern auch die Küche entfliest, zurückgebaut und daraus ein sechstes Zimmer gemacht.« Zuvor gab es einen Eigentümerwechsel, die Firma MW Immo Group übernahm die Verwaltung für alle Wohnungen von Einzeleigentümern im Haus – und kündigte den Mieterinnen und Mietern der Wohnung der heutigen 6er-WG sowie denen der Dachgeschosswohnung wegen Eigenbedarfs, wie aus Kündigungen hervorgeht, die dem kreuzer vorliegen. Dies nährte die Angst der übrigen Mieterinnen und Mieter, dass Wündrich auch die weiteren Wohnungen im Haus kaufen und entmieten würde, um die Wohnungen zu WGs umzubauen, die dann teuer vermietet werden…….
Allerdings lohnt es, sich als Hausgemeinschaft zu organisieren, die Stadt Leipzig, kann Verstöße gegen Vorgaben der sozialen Erhaltungssatzung prüfen und ahnden. Dazu muss natürlich die Immobilie bzw. die Mietsache im Erhaltungsgebiet liegen.
Wir blicken mit wenig Hoffnung auf die Sitzung im Stadtbezirksbeirat Süd, denn die direkte Kommunikation mit der LWB ist seit Oktober 2022 weitestgehend abgebrochen und das später vom Stadtrat beschlossene Umsetzungskonzept für ein Modellprojekt für eine sozial, ökologisch und denkmalpflegerisch nachhaltige Sanierung wurde von Stadtverwaltung und der LWB wieder kassiert. So jedenfalls interpretieren wir die aktuelle Information dazu. Im Juni 2024 hatten wir nochmal Hoffnung geschöpft, aber der Punkt verschwand wieder von der Tagesordnung des Stadtrats.
Die Expertise, die wir uns erarbeitet und geholt haben und die Vorschläge, wie man vielleicht doch schonender, preiswerter und nachhaltiger sanieren könnte, wurden bislang beiseite geschoben. Gespräche darüber finden zwischen den entscheidenden Akteuren nicht (mehr) statt oder nicht auf direktem Wege und verbleiben im Dunstkreis von Verwaltung und dem hermetischen LWB-Aufsichtsrat. Die Leipziger Volkszeitung hat überdies in ihren Titelspalten das Projekt schon begraben, bevor es anfing (und vergaß einige wichtige Details). Das alles lässt nicht nur uns als Mieter*innen und Stadtteilinitiative ratlos zurück, sondern auch Menschen aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft.
Zugegeben, es ist ungewöhnlich und bislang selten, dass LWB-Mieter*innen bei einer Sanierung soviel Mitsprache einfordern – und zugleich anprangern, dass ihre künftigen Nachbar*innen in den ca. 60 leeren (von insgesamt 105) Wohnungen nach der Modernisierung Preise von 16 €/qm Kaltmiete zahlen sollen. Ist es ungewöhnlich, dass einem die Nachbarschaft nicht egal ist?!
„Südvorstadt für alle“ heißt vor allem, Modell und Vorschläge zu entwickeln, die prinzipiell auch anderen Stadtbewohner*innen zu Gute kommen können: Zum einen als reaktivierter preiswerter Wohnraum in einem von Verdrängung geprägten Viertel und zum anderen als Vorbild für weitere Sanierungen, die aus sozialer wie ökologischer Sicht in ganz Europa dringend nötig sind.
Zurück zum Termin am Mittwoch, 14.08.2024, 18 Uhr: Im Stadtbezirksbeirat Süd sind Vertreter*innen der LWB eingeladen zur o.g. Informationsvorlage Stellung zu nehmen. Auch wir als Initiative sind eingeladen. Die Stadtbezirksbeiräte, die den parlamentarischen Prozess zu „Südvorstadt für alle“ im Sommer 2022 ins Rollen brachten, werden sicherlich ebenfalls Fragen haben. Unser Ziel ist weiterhin: Dass die LWB mit uns und dem Netzwerk Leipziger Freiheit, dem SBB Süd und auch externen Gutachter*innen ein Umsetzungskonzept diskutiert und sich dabei auch in die Karten schauen lässt.
Wir werden vom Ergebnis in den nächsten Tagen berichten – und schauen, ob das wirklich schon das Ende war oder ob doch noch Hoffnung besteht.
Wer möchte, kann auch als Gast online an der Sitzung des Stadtbezirksbeirats teilnehmen. Infos und Einwahllink (siehe Seitenmitte) finden sich hier. Der Tagesordnungspunkt „Südvorstadt für alle“ wird voraussichtlich circa 18:25 Uhr aufgerufen werden.
Mit herzlichen und mieterfreundlichen Grüßen,
Vernetzung Süd
P.S.: In folgendem Blogbeitrag kommentieren wir die für uns kritischen Punkte an der von der Stadt erarbeiteten Informationsvorlage zu „Südvorstadt für alle“.
// UPDATE 17. Juni 2024: Am 18./19.06.2024 wird in der Ratsversammlung ein Änderungsantrag von Die Linke, Bündnis ’90/ Die Grünen und SPD eingebracht werden. Dabei geht es um: a) die Prüfung der Kalkulationen der LWB durch ein externes Gutachten, b) Erstellen einer alternativen Kalkulation, c) Moderation durch das Netzwerk Leipziger Freiheit, d) eine Konkretisierung der Anzahl von Sozialwohnungen nach der Modernisierung sowie e) um einen zu installierenden Sanierungsrat. Es besteht die Hoffnung, dass das Projekt doch noch nicht abgesägt ist (wie die LVZ am 08.06.2024 voreilig titelte) und dass die notwendige Transparenz endlich möglich wird. Der oben genannte Änderungsantrag bezieht sich auf die hier im folgenden kommentierte Informationsvorlage der Stadtverwaltung. //
Im Mai 2024 wurde eine Informationsvorlage zu „Südvorstadt für alle“ im Ratsinfosystem hochgeladen. Wir werten es als eine Antwort auf unsere Nachfragen in der Einwohnerfragestunde im Stadtrat im Februar 2024 und als Statement der LWB und Stadtverwaltung zum bisherigen Prozess. Die Informationsvorlage stellt für uns, als Mieter*innen und Stadtteilinitiative, ein ernüchterndes, ja enttäuschendes Papier dar. Insbesondere weil damit die vom Stadtrat beschlossene und in einem Workshop mit der LWB zusammen erarbeitete Perspektive auf ein kooperatives Verfahren, bei dem auch Expert*innen außerhalb der LWB eingebunden werden sollten, scheinbar eine Absage erteilt wird.
Neben der Frage zum Verfahren, stellt sich weiterhin die Frage nach den Neuvermietungspreisen nach einer Sanierung, wie sie die LWB projektiert. Zuletzt war die Rede von circa 16 €/qm Kaltmiete -wir stellen uns etwas anderes unter kommunaler Wohnraumversorgung vor!
Wir stehen weiterhin mit unseren Expert*innen bereit, unsere alternative Kalkulation mit entsprechendem Sanierungskonzept gemeinsam mit der LWB durchzugehen und nach Lösungen für einen sozial-ökologischen Ansatz zu suchen – doch ist in der Informationsvorlage keine Rede mehr davon!
Folgend wollen wir die Informationsvorlage aus unserer Sicht zusammenfassen und kommentieren:
1.) Verweigerung von Transparenz und Austausch zu alternativer Kalkulation
LWB hat drei Kalkulationen allein dem OBM und der Verwaltung vorgelegt. Es wurden weder Netzwerk Leipziger Freiheit, SBB Süd, noch Wissenschaft dafür einbezogen, wie im Ratsbeschluss eigentlich gefordert. Die Kalkulationen der LWB werden von Fachleuten als sehr hoch eingeschätzt (gehobener Eigenheimstandard). Eine Aussprache dazu und das Einholen auch externer alternativer Kalkulationen war zugesagt durch den OBM in der Ratsversammlung im Februar 2024 (Videoausschnitt zum liz-Bericht, insbes. die Ausschnitte mit OBM Burkhard Jung: 10’00“-10’35“, 12’15“-12’55“ sowie 14’15“-15’04“). Ein Gespräch hat bislang nicht stattgefunden, ebenso wenig sind alternative Kalkulationen eingeholt oder bestehende extern evaluiert worden. Das ist unverständlich, da zu hohe Kosten als eine der wesentlichen Schwierigkeiten der Sanierung und des Modells benannt werden. Außerdem wurden laut Informationsvorlage allein die Maximalforderungen (100% KdU-Wohnungen) als Varianten von der LWB berechnet – und schließlich abgelehnt. Mehr auf Lösung und Kompromiss orientierte Ansätze würden verschiedene Stufen und Teilziele bei der Berechnung berücksichtigen und vor allem auch die Rücksprache mit allen Beteiligten!
2.) LWB wehrt kooperatives Verfahren ab
Die von uns vorgeschlagenen Expert*innen mit einer preiswerteren Kalkulation und einem alternativen Sanierungsmodell werden nicht angehört bzw. der in der Einwohneranfragestunde zugesagte Termin (siehe obiger Link, Antwort auf Tobias Peters Frage: ab 12’15“) verhindert. Wir wünschen uns, dass OBM Burkhard Jung, als Vorsitzender der Gesellschafterin, hier uns aktiver gegenüber der LWB-Geschäftsführung unterstützt. Die LWB-Geschäftsführung hat sich, unserer Ansicht nach, spätestens nach einem Workshop im November 2022 aus dem kooperativen Verfahren und Gesprächen mit uns weitgehend herausgezogen. Ein Dialog war schwer möglich, an einer kooperativeren Unternehmenskultur in der LWB müsste unserer Ansicht nach aktiv gearbeitet werden – nicht zuletzt weil hier Mieter*innen selbst Vorschläge eingebracht haben und sogar Fördertöpfe (Deutsche Umwelthilfe) der Stadt Leipzig zugänglich gemacht haben! – Das in der Informationsvorlage angesprochene einseitige Informationsgespräch stellt keinen adäquaten Ersatz für ein kooperatives Verfahren, wie es der Stadtrat beschlossen hat, dar.
3.) Klimaneutralitätsmetropole Leipzig tut sich schwer eine klimagerechte Sanierung im Modell zu erproben
Mit „Südvorstadt für alle“ sollten neue, auch experimentelle Ansätze in der Sanierung ausprobiert werden, um neue Standards für die Zukunft von Leipzig und darüber hinaus zu erarbeiten. Der Verweis auf etwaige andere künftige Projekte mit der Deutschen Umwelthilfe ist ein schwacher Versuch den politischen Willensbildungsprozess des Stadtrats im Fall von „Südvorstadt für alle“ umzusetzen. Es wird damit auch eine Chance vertan, die notwendige Transformation zum klimagerechten Wohnen auf eine breitere gesellschaftliche Basis zu stellen. Dies hätte ein kooperativer Prozess mit den o.g. Beteiligten leisten können, wurde aber bislang – unserer Wahrnehmung nach – abgewehrt. Beim Thema klimagerechte Sanierung spielt außerdem nicht allein die Wärmewende (wie in Informationvorlage: Fernwärmenetz) eine Rolle, sondern auch weitere Aspekte, wie graue Energie, nachhaltige Materialien, Klimaanpassungsmaßnahmen u.a., die mit der in der Informationsvorlage genannten „Prüfung einer niedrigschwelligen Sanierung“ unzureichend und sehr unkonkret bleiben. Und: Klimagerechtes Wohnen geht nur mit sozialem Wohnungsbau einher. Dass die Inanspruchnahme von Fördermitteln lediglich geprüft werden soll – statt eine Mindestquote festzulegen – enttäuscht desweiteren.
4.) Wir stehen weiter für Gespräche und Kooperation mit der LWB, der Stadtverwaltung, Netzwerk Leipziger Freiheit, Stadtbezirksbeirat Süd und Wissenschaft bereit