Raus aus der Ohnmacht: Beteiligungsmöglichkeiten bei Bauprojekten und Selbstorganisierung von Mieter*innen

Selbstorganisierung von Mieter*innen? Da geht was !

Freitag, 1.10., 18-21 Uhr, Haus der Begegnung (an der Asylunterkunft), Arno-Nitzsche-Str. 37

Neubauprojekte schießen (nicht nur) in Connewitz an allen Ecken aus dem Boden. Meist stehen wir ohnmächtig daneben, Möglichkeiten der Intervention sind dann schon dahin. Auch bei Problemen mit Vermieter*innen sind Menschen immer wieder vereinzelt und entscheiden sich aus Angst vor dem Verlust der Wohnung gegen die Konfrontation.

Wir wollen die rechtlichen Rahmenbedingungen von Bau- und Stadtentwicklungsprojekten vorstellen und damit ermutigen, Handlungsfähigkeit zu erlangen. Zudem möchten wir Modelle der Selbstorganisierung von Mieter*innen vorstellen und mit Euch ausprobieren.

Mit: Marlen Försterling (Amt für Wohnungsbauförderung und Stadterneuerung Leipzig) und Aktivst:innen der Mietergemeinschaft Schönefelder Höfe (Leipzig).

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Offener Brief an die Stadt Leipzig

Die Häuser in der Kantstraße werden seit 10 Jahren durch wechselnde Eigentümerinnen systematisch
entmietet. Sie wurden z.T. unbewohnbar gemacht und verwahrlosen. Wir sind ein Paradebeispiel für Spekulation und Verdrängung.

Umsetzung einer verantwortungsvollen und sozialen Wohnungspolitik für eine wachsende Stadt – in Bezug auf Spekulation und Verdrängung insbesondere im Bauträgergeschäft. Ein offener Brief an die Stadt Leipzig der IG Kantstraße.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung,
Herr Baubürgermeister Dienberg,
geehrte Damen und Herren der Fraktionen im Leipziger Stadtrat !

Wir sind eine Mieterinnengemeinschaft in den Häusern der Kantstraße 55-63b. Die Häuser liegen unweit des MDR in der Südvorstadt. In den Häusern gibt es insgesamt 74 Wohnungen, wobei aktuell noch 15 bewohnt sind. Von Leipziger Familien, insgesamt 16 Kinder und 24 Erwachsene. Die Häuser in der Kantstraße werden seit 10 Jahren durch wechselnde Eigentümerinnen systematisch entmietet. Zudem wurden sie z.T. unbewohnbar gemacht und verwahrlosen. Wir sind ein Paradebeispiel für Spekulation und Verdrängung.

Ein Abriss zur Geschichte der Häuser

  • 2006: Ein Teil der Häuser (Kantstraße 59b, 61a/b und 63a/b) wird von Wohnungsbaugesellschaft Leipziger Handwerker mbH an die GRK Holding verkauft. Die Stadt Leipzig ist Eigentümerin des Grundstückes. Die Erbbauberechtigte ist aus wirtschaftlichen Gründen (anstehende Sanierungskosten) an einer Verlängerung des Erbbaurechtes nicht interessiert. Die Stadt Leipzig schließt sich dem Verkauf an.
  • 2011: Die restlichen Häuser (Kantstraße 55, 57 und 59a) werden von der LWB an die GRK Holding verkauft.
  • ab 2011: Die GRK Holding wandelt (bei Hauptmieterinnenwechsel) unbefristete Mietverträge in befristete Mietverträge um.
  • Wir Mieterinnen vernetzen uns, gründen zudem die IG Kant und setzten uns für unsere Mietverträge ein
  • weiterhin wirken bei der Gründung der Südvernetzung (ein Zusammenschluss von Mieterinnen und Stadtteilbewohnerinnen gegen Verdrängung) mit.
  • Die Befristungen laufen bis Juli 2014, so dass zu diesem Zeitpunkt ca. 40 Mietverträge zugleich auslaufen.
  • Im Nachhinein stellt ein Anwalt die Unrechtmäßigkeit der Befristungen fest, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Bauanträge vorlagen.
  • Wir Mieterinnen organisieren seitdem jährlich ein Sommerfest, um auf uns und unsere Situation aufmerksam zu machen. — Wir Mieterinnen treffen uns regelmäßig und nehmen an öffentlichkeitswirksamen Aktionen teil.
  • 2016: Wir Mieterinnen gehen in die Offensive und arrangieren ein erstes Treffen mit der GRK Holding. Der Geschäftsführer Steffen Göpel bietet uns eines der Häuser (die Kantstraße 55/57) zum Kauf an.
  • 2017: Die GRK Holding geht in der Instone Real Estate auf, deren „Chief Operating Officer“ Torsten Kracht droht in der Folge immer wieder mit dem Weiterverkauf der Häuser, obwohl weiterhin über einen Kauf der Kantstraße 55/57 durch die Mieterinnen verhandelt wird.
  • Wir Mieterinnen schließen uns der SoWo Leipzig eG an, um einem genossenschaftlichen Modell sozialverträglichen Wohnraum in der Kantstraße 55/57 zu erhalten. Mithilfe einer Absichtserklärung und einer Sanierungskostenschätzung erfüllen wir die Wünsche der Instone Reale Estate bezüglich weiterer Verhandlungsschritte.

Beendigung der Verkaufsverhandlungen

  • November 2019: Die Instone Reale Estate beendet die Verkaufsverhandlungen mit uns Mieterinnenund kündigt einen Eigentümerinnenwechsel an.
  • Dezember 2019: Die Instone Reale Estate verkauft die Häuser an die Campus Altbausanierungs GmbH.
  • Februar 2020: Allen Mietparteien gehen Mieterhöhungsverlangen und zweien auch Kündigungen zu – Letztere mit der Begründung, dass eine Fortsetzung der Mietverhältnisse die Campus Altbausanierungs GmbH an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks hindern würde.
  • Wir Mieterinnen laden Matthias Klemens, Geschäftsführer der Campus Altbausanierung GmbH,
  • zu einem Treffen in der Peterskirche ein.
  • Die ersten Wohnungen werden zum Verkauf angeboten und Investorinnen aus aller Welt kommen mitten im ersten Corona-Lockdown zu Besichtigungen.
  • März 2020: Beim Treffen in der Peterskirche legen Mieterinnenvertreterinnen zusammen mit der SoWo eG unser Angebot vor – einen Kauf des Hauses Kantstraße 55/57, um sozialverträglichen Wohnraum zu erhalten. — Matthias Klemens erteilt uns daraufhin eine Absage z mit den Worten: „Ihnen ist der Markt davon gelaufen…Wir können es jetzt beerdigen. Wir brauchen nicht über etwas reden, das keinen Sinn hat.“
  • April 2020: Die ersten Mieterinnen bekommen Modernisierungsankündigungen.
  • Die Mieterinnen lassen sich anwaltlich beraten. — Die erste Verwertungskündigung wird gerichtlich verhandelt. — In einem Artikel in der LVZ vom 18.12.2020 verspricht Michael Boniakowski, Mitarbeiter der Campus Altbausanierung GmbH, man sei bemüht, für alle verbliebenen Mieterinnen gute Lösungen zu finden.
  • Anfang März 2021: Eine Baustraße wird um die Häuser eingerichtet.
  • Bauarbeiter*innen beginnen mit Entkernung – ohne Absperrungen und Sicherheitsvorkehrungen.
  • März 2021: Der Verwertungskündigung wird in erster Instanz stattgegeben. Die Mieterin, eine
  • getrennt erziehende Mutter, verliert mit ihren beiden Kindern Wohnung und Lebensumfeld – sie müssen unverzüglich ausziehen.
  • Alle Verhandlungsbemühungen sind in Protokollen und Schriftverkehr dokumentiert.

Unsere Perspektive

Daher ist unser Zuhause, mitsamt dem Verkauf der einzelnen Wohnungen und der anschließenden Modernisierung, existentiell bedroht. Zwar ist die Miete nach Modernisierung gesetzlich gedeckelt, aber die nach drei Jahren drohenden Eigenbedarfskündigungen bieten uns keinen dauerhaft sicheren Wohnraum. Mit dieser Tatsache spekuliert die Campus Altbausanierung GmbH.
Ebenso die GRK Holding, die Instone Real Estate und die Campus Altbausanierung GmbH verfolgen das typische Bauträgergeschäft, vor allem Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt und weiterverkauft. Dabei werden Preise aufgerufen, die sich Normalverdienende in Leipzig niemals leisten können (in der Kantstraße aktuell ca. 5500€ pro Quatratmeter). Bei diesem Geschäftsmodell gibt es keinerlei soziale Verantwortung für „mitgekaufte Mieter*innen“ – diese ist weder gefordert noch gesetzlich geregelt und die guten Lösungen lassen auf sich warten.

Da Oberbürgermeister Burkhard Jung immer wieder bekräftigt hat, dass Probleme am Wohnungsmarkt nur im Dialog zu lösen sind („Weder Stadt, noch Gesellschaft lassen sich durch Gewalt einschüchtern. Probleme am Wohnungsmarkt löst man nur im Miteinander…“), fordern wir diesen ein. Jedoch die Zeit drängt und der Druck wächst!
Daher haben wir den Versuch unternommen, unser Schicksal und damit die Verantwortung für uns selbst in die Hand zu nehmen. Folglich ist daraus eine Gemeinschaft erwachsen, die nun durch den immer brutaler werdenden Wohnungsmarkt auseinander gerissen wird. Wir verlieren unsere eigentlich unbefristeten Mietverträge,zudem unser soziales und gewachsenes Umfeld, bezahlbare Mieten und Freiräume und der LeipzigerSüden verliert immer mehr an Vielfalt!

Wir werden aus unserem Stadtteil verdrängt, in dem viele von uns seit über 20 Jahre und länger leben.

Deshalb ersuchen wir dringend um Ihre Hilfe!

Unsere Forderungen

  1. Einen direkten Dialog mit Herrn Oberbürgermeister Jung und
    Herrn Baubürgermeister Dienberg.
  2. Einen Rückkauf der Kantstraße 55/57 durch die LWB oder die Stadt Leipzig zur Nutzung fürdie verbliebenen Mieter*innen.

Nehmen Sie Investorinnen wie GRK Holding, ferner die Instone Real Estate und Campus Altbausanierung GmbH wirksam in die Pflicht. Schaffen Sie eine Stadtpolitik, die endlich das Ziel von sozialer Gerechtigkeit für alle Mieterinnen in den Mittelpunkt stellt und Wohnraum und Bauland nachhaltig der Spekulationentzieht.
Wir sind gesprächsbereit und bitten Sie, unsere diesbezügliche Bitte ernst zu nehmen. Kommen Sie Ihrer Verantwortung nach, folgen sie unserer Einladung zeitnah und machen sich einen Eindruck vor Ort – selbstverständlich unter Wahrung der aktuellen Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung.

Mit freundlichen Grüßen
Die IG Kantstraße

Kontakt: kant-leipzig-55-63b@web.de

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Artikel Leipziger Zeitung

Musterbrief Mieterlass

Keine Ahnung, wo das Geld dafür herkommen soll? Vielleicht muss es das gar nicht. Hast Du Deine Vermietung schon mal gefragt, ob sie in der aktuellen Situation auf die Miete verzichten würde? Sozusagen als Zeichen der Solidarität?

Hast Du die Vermietung schon gefragt, ob sie jetzt auf Miete verzichten würde?

Die Auswirkungen der Corona Pandemie sind aktuell vielfältig spürbar. Und für die meisten von uns sind Kontaktbeschränkungen noch das geringste Übel. Vielleicht hast Du Deinen Job verloren. Vielleicht wurdest Du auf Kurzarbeit gesetzt. Oder Dir sind Aufträge weggebrochen. Womöglich war das Geld aber auch schon vorher knapp. Und trotzdem soll die nächste Miete gezahlt werden. Und die übernächste. Dazu haben wir Fragen, Überlegungen und ein Musterbrief.

Keine Ahnung, wo das Geld dafür herkommen soll? Vielleicht muss es das gar nicht. Hast Du Deine Vermietung schon mal gefragt, ob sie in der aktuellen Situation auf die Miete verzichten würde? Sozusagen als Zeichen der Solidarität? Du hältst hiermit einen Musterbrief in Deinen (virtuellen) Händen, der genau das erfragen soll. Darin ist eine höfliche Bitte an Deine Vermietung vorformuliert. Einstweilen mal auf ihre Miete zu verzichten.

Denn während großzügig an die gesellschaftliche Solidarität appelliert wird, scheinen die Vermietungen davon merkwürdigerweise ausgenommen. Dabei ist nach den ersten Umfragen die Anzahl der Haushalte in Deutschland, die ihre Miete im April 2020 nicht mehr zahlen konnten, um circa 1 Million gestiegen. Prognostiziert wird, dass im Mai die Zahl auf insgesamt 4,2 Millionen steigen wird. Im Gegenzug: Noch Anfang April verkündete einer der größten deutschen Immobilienkonzerne, Vonovia, dass sie keine relevanten Umsatzeinbrüche aufgrund der aktuellen Krise befürchten. Und großzügig scheint ihr Angebot, dass sie gegenwärtig auf Mieterhöhungen verzichten wollen und Verständnis für Probleme bei Mietzahlungen haben. Was das im konkreten Fall bedeutet, muss sich wohl erst zeigen. Wir befürchten jedoch, dass weder sie noch irgendeine andere Vermietung über den aktuellen gesetzlichen Stand hinausgehen werden.

Gesetzeslage

Die Gesetzesnovelle des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, welche am 27.03.2020 verabschiedet wurde, sieht vor, dass für fehlende Mietzahlungen zwischen April und Juni 2020 keine Kündigung ausgesprochen werden kann. Wenn ein Zusammenhang der Mietrückstände mit der Pandemie nachgewiesen werden kann. Jedoch sieht diese Gesetzesnovelle auch vor, dass die Mietrückstände bis Juni 2022 wieder zurückgezahlt werden müssen. Das heißt, jetzt ausfallende Mieten häufen sich als Schulden an. Inklusive der darauf anrechenbaren Zinsen. Dagegen bleiben die Vermietungen durch diese Regelung vollständig verschont. Sie müssen keine Einbußen in der Krise befürchten. Ihr Gewinn bleibt bestehen – er verzögert sich lediglich um ein paar Monate. Dagegen sind es die Mieter*innen, die sich abschuften sollen, um auch noch den letzten Cent zu bezahlen.

Gehts noch?

Wir finden diese Regelung ungerecht! Zudem finden wir es empörend, dass Vermietungen wie Vonovia keine Gefahr für ihren Gewinn von einer Million Euro sehen sollen, während andere um ihre Wohnungen fürchten! Wir wollen diesen Zustand nicht hinnehmen. Und wollen Euch deshalb dazu ermuntern, Eure Vermietungen um mehr zu bitten. Sie explizit darum zu bitten, dass sie auf ihre Miete für die kommenden Monate verzichten. Und sich damit selbst solidarisch zeigen. Dabei geht es nicht nur um jene, die sie nicht zahlen können, sondern um uns alle. Es wird aktuell an vielen Stellen Geld gebraucht. Mit unserer Miete könnten wir wirklich wichtige Projekte unterstützen, anstatt mit ihr nur zum Profit eines Unternehmens beizutragen.

Deswegen frag Deine Nachbar*innen, ob sie gemeinsam mit Dir den Brief unterschreiben. Und fragt zusammen Eure Vermietung, ob sie auf ihre Miete verzichten will. Teilt Eure Ergebnisse im Internet unter dem #Mieterlass. Wenn die ersten Vermietungen auf den Brief reagieren, könnte das eine Kettenreaktion auslösen. Und andere Vermietungen gehen gegebenenfalls auch darauf ein. Es ist nur eine harmlose Bitte, die aber viel bewirken könnte. Versucht es einfach. Fragen kostet nichts.

Wir haben zwei Versionen von Musterbriefen erstellt für Mieter*innen von Wohnraum sowie für Mieter*innen von Gewerberaum:

Musterbrief Mieterlass für Mieter*innen von Wohnraum

Musterbrief Mieterlass für Mieter*innen von Gewerberaum

Bei Fragen und zum weiteren Erfahrungsaustausch mit anderen Mieter*innen schreibt bitte an:

mieterlass@protonmail.com

Mit solidarischen Grüßen!

Zusammenschluss von Mieter*innen für Mieterlass

Aktuell unterstützt durch:

Stadtteilinitiative Vernetzung Süd (Leipzig-Connewitz) (→ twitter)

Leipzig für Alle (→ blog)

Miettreff Leipziger Osten (→ fb)

Prisma – interventionistische Linke Leipzig (→ blog)

Direct Support Leipzig (→ website)

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Foto von Suzy Hazelwood

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