Die Chronik Südvorstadt für alle führt wichtige Momente in der Auseinandersetzung um die Sanierung von kommunalen Wohnungen in der Südvorstadt und in Connewitz auf. Durch eine Petition und den gleichlautenden Ratsbeschluss zu „Südvorstadt für alle“ vom 18.10.2023 gewann die Problematik eine breitere Aufmerksamkeit. Petition und Ratsbeschluss rütteln an Grundprinzipien und offenbaren Widersprüche in der kommunalen Wohnungspolitik von Leipzig. Und sie wollen aber vor allem ein Modellprojekt initiieren, um Leipzig für die soziale und ökologische Zukunft im kommunalen Wohnungsbau fit zu machen. Die weitestgehend unkommentierte Sammlung von Ratsanfragen, Beschlüssen, Gesprächen sowie Aktivitäten der Mieter*innen und der Vernetzung Süd als auch der Berichterstattung, möchte helfen, den vielschichtigen Prozess im Detail besser nachvollziehen zu können. Hierfür sind die zahlreichen Verlinkungen sehr hilfreich. Diese Sammlung bleibt aber wohl etwas für Insider. Ein einfacherer, kommentierender Bericht, der die Zusammenhänge darstellt, wird als nächstes erstellt werden… Folgend erstmal diese Liste:
Am 18. Oktober 2023 wurde der Ratsantrag mit dem Titel „Südvorstadt für alle“ beschlossen. Diesen hatten LWB-Mieter*innen im Juni 2022 dem Stadtbezirksbeirat Süd vorgeschlagen und in diesem Gremium wurde er einstimmig an die Ratsversammlung weitergegeben. Dem Ratsantrag „Südvorstadt für alle“ sind aber auch viele Schritte vorausgegangen, die bis ins Jahr 2016 zurückreichen. Damals wurde angekündigt, dass die ca. 340 kommunalen un- bzw. teilsanierten LWB-Wohnungen in der Südvorstadt und in Connewitz in den nächsten Jahren komplex saniert werden sollen. Mittlerweile beschränkt sich der Antrag nur noch auf 105 Wohnungen.
Der mittlerweile über sieben Jahre andauernde und vielschichtige Prozess, welcher sich seit 2022 nochmals intensivierte, soll durch die Chronik leichter nachvollzogen werden können. Die relevanten Ratsanfragen und Beschlüsse sind aufgeführt und verlinkt, außerdem finden sich darin die wichtigsten Aktivitäten der Mieter*innen und der engagierten Nachbarschaft. Auch die Berührungspunkte zwischen LWB, kommunaler Politik, Stadtverwaltung, Mieter*innen und Stadtteilinitiative können in der Übersicht abgelesen werden. Ebenso sind Medienberichte verlinkt.
In der tabellarischen Form muss die Chronik sich auf „Highlights“ beschränken und bleibt darüber hinaus auch eine Auswahl, die vor allem aus der Perspektive von Mieter*innen und Kritiker*innen der Stadt-Teil-Entwicklung und Wohnungspolitik zusammengestellt ist. Nicht jeder Schritt, nicht jede Entscheidung war für uns zugänglich. Über Ergänzungen von anderen Seiten würden wir uns freuen! Die Perspektive der LWB ist in den Antworten auf die verschiedenen Ratsanfragen und in den verlinkten Protokollen des SBB Süd repräsentiert. Es wurde nur Material verlinkt, das öffentlich einsehbar ist. Darüber hinaus gibt es natürlich weiteres Material aus Besprechungen, Workshop etc.
Außerdem wollen wir betonen, dass die konkrete Wohn- und Lebenssituation der Mieter*innen – also 1.) jene, die dort wohnen bleiben wollen und 2.) jene die bereits aus- oder umziehen mussten sowie 3.) jene, die seit Jahren nicht mehr in diesen preiswerten Wohnraum einziehen konnten, obwohl sie ihn bedurften – in dieser Auflistung nur indirekt vorkommt und deshalb einer anderen Form der Wiedergabe bedarf.
Am Mittwoch, 18.10.2023, 14 Uhr, wird im Stadtrat Leipzig über den Antrag „Südvorstadt für alle“ abgestimmt werden. Dem sind in den letzten eineinhalb Jahren verschiedene Entwicklungen vorangegangen und hat uns als Mieter*innen und Stadtteilinitiative intensiv beschäftigt. Eine umfangreiche Übersicht zu diesen Entwicklungen wollen wir Euch in den nächsten Tagen an dieser Stelle geben… Wir bitten noch um etwas Geduld. – Eine erste Vorschau aber kann folgende Übersicht aus einem unseren Treffen geben, weil wir uns über den Prozess auch immer wieder Orientierung verschaffen müssen. Die Übersicht beschreibt grob die Entwicklungen der letzten 12 Monate:
Über den eigentlich schon viel länger laufenden Prozess (seit 2016) und die Idee zum Modellprojekt für eine soziale und klimagerechte Sanierung von 105 Wohnungen in der Leipziger Südvorstadt kann sich – bis zur Aktualisierung – in folgendem Blogbeitrag informiert werden.
Stay tuned!
Und: Wir brauchen Eure Unterstützung mit der Petition. Bis Sonntag 15.10. sollen noch kräftig Unterschriften gesammelt werden. Hier erhaltet Ihr Material dafür:
Das Wohnhaus in der Thierbacher Straße 6 wird seit 20 Jahren wieder bewohnt. Die Menschen im Haus organisieren sich seit längerem als Hausprojekt ohne das Haus selbst zu besitzen. Das Haus ist seitdem in Besitz eines privaten Eigentümers, welcher noch weitere Häuser in Leipzig erwarb. Die Thierbacher Straße 6 ist vielen Menschen in Connewitz und über die Stadtteilgrenzen hinweg ein Begriff. Die hier vorherrschenden Probleme breiten sich auch an anderen Orten der Stadt aus und müssen gehört werden!
Seit längerer Zeit versuchen die Mieter*innen des Hauses bestehende Mängel im Wohnraum und am Haus durch Forderungen gegenüber dem Hausbesitzer geltend zu machen. Infolgedessen wurden bspw. defekte Warmwasserboiler über Wochen nicht ausgetauscht, ein Teil des Daches musste auf eigene Kosten saniert werden, da dort dauerhaft Regen eindrang, die Schornsteine sind marode und können nicht mehr begangen werden, wobei hier Gefahr in Verzug ist und ein Bad war ca. 3,5 Jahre aufgrund von Baumängeln nicht mehr nutz- und begehbar – um nur einige eklatante Probleme zu nennen. Das liegt jedoch augenscheinlich nicht im Interesse des Eigen- tümers, sondern in dem der Mieter*innen. Deshalb werden seit Jahren Instandhaltungsmaßnahmen und die Wohnungsorganisation eigenständig durch die Bewohner*innen bewerkstelligt.
Dies hat allerdings wenig mit selbstbestimmten bzw. selbstverwaltetem Wohnen zu tun, da seitens des Eigentümers keine Kooperation besteht und anfallende Kosten selbst getragen werden müssen. Im Frühjahr 2015 entschied sich die Hausgemeinschaft, dem Eigentümer ein erstes Kaufangebot zu unterbreiten, was jedoch ohne Resonanz blieb.
Vorherige Modernisierungsankündigungen bzw. Kündigungen konnten aufgrund von formellen Fehlern abgewandt werden. Im Juni 2018 fand dann jedoch eine Modernisierung (Fenster, Fassade, Dach, Balkone) statt. Das finanzielle Resultat daraus war eine pauschale Mieterhöhung von ca. 530€ pro Wohnung, was absolut untragbar für die darin leben- den Menschen ist!
Seit einigen Jahren wird außerdem über Gerichtsprozesse versucht die Behebung der bestehenden Mängel einzuklagen. Ein knappes Jahr hat die Durchführung der Modernisierung im bewohnten Zustand und nach Maßstäben des Eigentümers gedauert. Das kostete die Mieter*innen viele Strapazen: Kein warmes Wasser über Monate, seit Jahren Bleileitungen, einsturzgefährdete Decken, Baulärm, Gerichtsprozesse, Baumfällarbeiten und Verwüstungen des Gartens, etc.
Nach Abschluss der Modernisierung konnten jedoch einige Mängel erfasst werden. Das waren zum Beispiel: Dach nicht innen gedämmt, keine Dämmung der Gaupen, keine Fensterbretter, kein Überputzen, kein Streichen, eingebaute Rollläden nicht nutzbar, Kabel hängen aus der Wand, Aussparungen in der Fassade für neue, nicht eingebaute Fenster, mit neuen Gaupen zugebaute Fenster, defekte Öfen, Heizen teilweise unmöglich. Deswegen zahlten die Bewohner*innen die Modernisierungsumlage zunächst unter Vorbehalt.
Die folgenden Jahre forderten eine Menge Durchhaltevermögen, starke Nerven, viel kompetente Rechtsberatung, unzählige interne Plena und natürlich vor allem externe Solidarität, denn der Hauskampf frisst jede Menge Kraft, Zeit und Geld. Doch diese Form des Protestes ist die einzige Möglichkeit, um ein Zeichen zu setzen, dass es sich hierbei um ein strukturelles und kein individuelles Problem handelt!
Vermieter-Aktionen (Chronik I)
2013
Modernisierungsankündigung: erfolglos
2014
Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen/ Beauftragung einer externen Hausverwaltung: ungültig
Anfertigung von Grundriss durch Bauunternehmen zur Modernisierungsvorbereitung & Aufforderung zur Dachkammerberäumung: ungültig
2018
Modernisierungsankündigung & fristlose Kündigungen: Rechtswirksamkeit geprüft-ungültig Beginn Modernisierungsmaßnahme: mangelhaft
2019
Durchführung und „Abschluss“ der Modernisierung: Rechtswirksamkeit geprüft-ungültig/ Mieterhöhung durch Modernisierungsumlage: mangelhaft
2020
„Durchführung und Abschluss“ der durch die Klage rechtswirksamen Mängel „Anpassung“ der Mieterhöhung durch Modernisierungsumlage: Rechtswirksamkeit geprüft-ungültig weitere fristlose Kündigungen: mangelhaft aggressivere Entmietungstaktiken
2021bis heute
weitere „Durchführungen“ und „Abschlüsse“ von durch Klagen rechtswirksamen Mängel „Anpassung“ der Mieterhöhung durch Modernisierungsumlage: Rechtswirksamkeit geprüft-ungültig weitere fristlose Kündigungen: mangelhaft weitere aggressivere Entmietungstaktiken/ Zunahme von Qualität in seinen Aktionen
Mieter*innen-Aktionen (Chronik II)
ab 2013
Abwehr der Entmietungsversuche & Anfänge einer internen Projektstruktur
2014
Anwaltliche Unterstützung Abwehr einer Kündigung Beitritt zum Mieterverein Leipzig
2015
Wohnungsmängel dokumentiert und angezeigt Kaufangebot an Hausbesitzer Versuche, dem Hausbesitzer gegenüber Gesprächsbereitschaft zu signalisieren Kontakt zu anderen Projekten/Betroffenen zum Informationsaustausch
2016
Mitinitiator*innen der Häuservernetzung Entwurf erster Klageentwürfe Abwehr von Modernisierungsankündigungen/Kündigungen
2017
erneutes Angebot einer außergerichtlichen Klärung weitere Klageentwürfe werden formuliert und erste Gerichtsverfahren finden statt erste Klage auf bauliche Mängel wird gewonnen
2018
Widersprüche gegen Kündigungen Anwaltliche Prüfung der Modernisierungsankündigung auf Rechtskräftigkeit Weitere Klage auf bauliche Mängel wird gewonnen
2019
Soli-Aktionen & Spendensammeln für weitere Gerichtskosten Kundgebungen & umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit Weitere Klage auf bauliche Mängel & ungültige Mieterhöhung durch Modernisierungsumlage wird gewonnen
2020
Mängelbeseitigungsklagen & Klagen zur Prüfung der Rechtswirksamkeit der Modernisierung: Erfolg bei Gerichtsprozessen Intensiver Briefwechsel mit dem Vermieter und der Hausverwaltung Soli-Aktionen Umdenken der öffentlichen Strategien durch Corona
2021 bis heute
Klagen über Klagen (siehe 2020) Erfolg bei Gerichtsprozessen Intensiver Briefwechsel mit dem Vermieter und der Hausverwaltung Soli-Aktionen & enger Austausch mit anderen Projekten
An dieser Stelle 1000 Dank für den jahrelangen Support aus der Nachbarschaft! <3
Selbstverständnis
Seit den 90er Jahren ist das Ziel der Leipziger Wohnungspolitik, einen attraktiven Wohnungsmarkt zu etablieren. Dadurch steigen seit Jahren in Leipzig die Mieten – die Löhne hingegen nicht. Dies führt sukzessive zu einer Verschlechterung der Wohnsituation Marginalisierter, Gering- oder Nichtverdienender sowie von Menschen, die keinen freien Zugang zum Wohnungsmarkt haben. In der Folge wird Menschen mit geringem bzw. keinem Einkommen zunehmend die Möglichkeit genommen, selbst-bestimmt Wohnraum zu mieten. Zudem haben circa ein Viertel der Leipzigerinnen in den letzten Jahren Mieterhöhungen bekommen, deren Begründung nicht selten Modernisierungsmaßnahmen waren. Ob Privatisierung, Entmietung, Verdrängung, Luxussanierung oder vermehrte Spekulation mit Wohnraum – all das sind momentan zu- nehmend Symptome einer kapitalistischen Organisation von Wohnen. Infolgedessen sollen Mieterinnen Luxussanierungen [oder auch moderaten bis ineffizienten Modernisierungen, Anm. Vernetzung Süd] weichen, weil sie nicht profitabel für den Vermieter sind.
Daher möchten wir unsere Situation an die Öffentlichkeit tragen, um uns mit Menschen, die von ähnlicher Repression betroffen sind zu solidari- sieren, um schlichtweg auf unsere Situation aufmerksam zu machen, Informationen zu teilen und um unseren Wohnraum zu schützen. Denn bezahlbares und selbstbestimmtes Wohnen ist ein Recht und kein Roh- stoff für Spekulation. Unser Ziel ist die Vernetzung von derzeitig und zukünftig betroffenen Projekten sowie mit Menschen, die sich mit uns solidarisieren und für soziale Freiräume jeglicher Art kämpfen möchten! Mieterhöhungen, Kündigungen von Mietverhältnissen, unverhältnis- mäßige Modernisierungsmaßnahmen, der Verkauf von Flächen, auf denen sich Wagenplätzen befinden, Räumungen, die Kriminalisierung von Besetzungen, Verdrängung aufgrund von Mietsteigerungen – das alles sind keine individuellen Probleme, sondern es sind die Probleme von allen!
Geht auf die Straße, bildet Kollektive zum Austausch, zur Vernetzung und zum Widerstand – niemand soll mit dieser Scheiße allein sein. Dabei sollten wir auch an Alleinerziehende, Senior*innen, prekarisiert lebende und wohnende Personen denken, an Menschen die illegalisiert wohnen, an Menschen, die gezwungen sind an Orte zu ziehen, wo offener Rassismus Alltag auf der Straße ist. Wir haben keine Lust auf Luxussanierung, keinen Bock auf Luxusbebauung, wir brauchen keine „Studienappartments“, keine Wohnparks, keine Tiefgaragen, keine Eigentumswohnungen, keine strukturelle Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt! Was wir brauchen und wollen ist vor allem bezahlbaren Wohnraum für alle, Mietpreisbremsen, Sozialwohnungen, Mitbestimmung bei Sanierung, Modernisierung und Bebauung, kollektive Wohnformen und mehr Freiräume, die wir so gestalten können, wie wir wollen. Werdet und seid weiter laut, wütend, trotzig und mutig, damit wir uns alle solidarisch Entmietungsprozessen und Verdrängung entgegenstellen können!!!
Politische und soziale Forderungen
Bezahlbaren Wohnraum!
Wohnraum in Selbstverwaltung und als Schutzraum!
Keine Spekulation mit Wohnraum!
Mitwirkung aller Menschen an Bauprojekten und Stadtentwicklung!
Generelle Mitbestimmung und Mitspracherecht!
Räume für politisches, soziales & kulturelles Miteinander!